Trennen sich die Eltern, stellt sich schnell Frage, wo das gemeinsame Kind seinen Wohnsitz haben soll. Hierzu muss immer eine Regelung gefunden werden. In der Vergangenheit war es so, dass vordergründig das Residenzmodell praktiziert wurde. Das Kind wird dann nach einer Trennung oder Scheidung nur von einem Elternteil überwiegend betreut. Das Kind hat dann auch nur einen Lebensmittelpunkt. Der andere Elternteil hat ein Umgangsrecht. Die Ausgestaltung des Umgangsrecht ist immer eine Frage des Einzelfalls. Bei Kinder im Grundschulalter wird dem Elternteil, bei dem das Kind nicht seinen Lebensmittelpunkt hat, in der Regel Umgang an jedem zweiten Wochenende gewährt, der meist von Freitagmittag bis Sonntag andauert.
Diese klassische Regelung dürfte aber nicht mehr zeitgemäß sein. Immer häufiger streben Eltern völlig zu Recht danach, eine gleichberechtigte Rolle für ihre Kinder einzunehmen. Um diesen berechtigten Wunsch gerecht zu werden, soll der Aufenthalt des Kindes gleichmäßig auf die Wohnsitze beider Elternteile verteilt werden, so dass die Elternteile jeweils gleich viel Zeit mit ihren Kindern verbringen können. Dies ist auch grundsätzlich richtig so, weil beide Elternteile für das Kind gleich wichtig sind.
Ob diese Regelung auch dem Wohl des Kindes entspricht, denn nur hierauf kommt es an, muss immer an der konkret vorhandenen familiären Situation gemessen werden. Es gibt hier kein generelles „Falsch“ oder „Richtig“.
In der familiengerichtlichen Praxis wird immer verlangt, dass zwischen den Eltern nur eine geringe räumliche Entfernung besteht, so dass sich das soziale Umfeld des Kindes beim Haushaltswechsel nicht verändert. Verlangt wird auch, dass die Eltern über gleichwertige Betreuungs- und Förderkompetenzen verfügen und genügend Zeit haben, um das Kind in dem angestrebten Umfang betreuen zu können. Auch diese Voraussetzung ist durchaus sachgerecht. Andernfalls müsste sich das Kind, je nachdem wo es sie sich gerade aufhält, nach den Erwartungen des jeweiligen Elternteils richten. Eine Kontinuität geht hiermit nicht einher. Dies braucht das Kind aber, um sich zu einem selbstständigen Individuum zu entwickeln.
Soweit diese Voraussetzungen erfüllt sind und beide Elternteile auch dazu in der Lage sind, sachlich miteinander zu kommunizieren, kann ein Wechselmodell familiengerichtlich angeordnet werden.
Zwar gibt es zum Wechselmodell bis heute keine gesetzliche Regelung, jedoch hat der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2017 entschieden, dass ein Familiengericht auf Antrag eines Elternteils ein Wechselmodell anordnen kann.
Trotz dieser klarstellenden Entscheidung bereitet es in der Praxis immer Schwierigkeiten, das Wechselmodell tatsächlich anordnen zu lassen. Die Familiengerichte tun sich schwer damit und sind eher dazu geneigt, das klassische Residenzmodell anzuordnen. Daher ist es wichtig, anwaltlich vertreten zu sein. Andernfalls ist dieses Unterfangen meist völlig aussichtslos.
Das Wechselmodell hat aber nicht nur Auswirkungen auf die Umgangs- und Betreuungszeiten, sondern auch auf den Unterhalt, das Kindergeld und den melderechtlichen Wohnsitz. Diese Punkte sind deswegen problematisch, weil der Gesetzgeber dieses Problem noch nicht gelöst hat.
Wie dieses Problem gelöst werden können, verrate ich in den folgenden Sonderbeiträgen.
Weiterführende Hinweise:
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