Auffahrunfall: Wer haftet wirklich?
- RA Sven Weichel
- 25. Juni
- 2 Min. Lesezeit

Auffahrunfall: Wer haftet wirklich? Die verbreitete Annahme „Wer hinten drauf fährt, ist immer schuld“ gilt nicht uneingeschränkt. Das zeigt ein aktuelles Urteil des OLG Frankfurt vom 29.04.2025 (Az. 9 U 5/24). Was viele nicht wissen: Der sogenannte Anscheinsbeweis beim Auffahrunfall kann erschüttert werden – und damit auch die automatische Alleinhaftung des Auffahrenden.
In diesem Beitrag erfahren Sie, wann Sie bei einem Auffahrunfall nicht allein haften müssen – und warum sich eine anwaltliche Prüfung fast immer lohnt.
OLG Frankfurt: Kein Automatismus bei Haftung beim Auffahrunfall
In dem vom Oberlandesgericht Frankfurt entschiedenen Fall war Folgendes geschehen:
Ein Fahrzeug wechselte bei hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn die Spur. Der Fahrer kehrte dann plötzlich ohne Blinker auf seine ursprüngliche Spur zurück. Gleichzeitig bremste er abrupt ab. Der nachfolgende Fahrer fuhr auf: ein klassischer Auffahrunfall?
Doch das Gericht stellte klar: Die Schuldfrage ist nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint.
Was ist der Anscheinsbeweis beim Auffahrunfall?
Der Anscheinsbeweis ist eine juristische Regel: Bei typischen Verkehrsunfällen erlaubt er Rückschlüsse auf ein schuldhaftes Verhalten – ohne dass es im Einzelfall bewiesen werden muss.
Beim Auffahrunfall bedeutet das:
Wer auffährt, hatte meistens zu wenig Abstand oder war unaufmerksam. In der Praxis führt das oft zur Alleinhaftung des Auffahrenden – aber nur, wenn der typische Geschehensablauf nicht durch Besonderheiten erschüttert wird.
Wann greift der Anscheinsbeweis nicht?
Im Fall des OLG Frankfurt lag ein atypischer Geschehensablauf vor:
Der Vordermann hat plötzlich gebremst
Er hat sich nicht ordnungsgemäß eingeordnet
Der Bremsvorgang war unvorhersehbar
Der Spurwechsel war nicht abgeschlossen
All das hat dazu geführt, dass das Gericht den Anscheinsbeweis nicht angewendet hat. Das Verhalten des Vorausfahrenden war mitursächlich für den Unfall.
Ergebnis: Haftungsverteilung 50/50
Auffahrunfall – wer haftet? Eine Einzelfallfrage!
Dieses Urteil zeigt: Bei einem Auffahrunfall muss nicht immer der Auffahrende allein haften. Es kommt entscheidend auf den konkreten Unfallhergang an:
Anscheinsbeweis beim Auffahrunfall ist keine unumstößliche Regel. Wenn der andere Fahrer sich ungewöhnlich verhält oder plötzlich bremst, ist eine Haftungsteilung möglich – oder der andere sogar allein verantwortlich.
Tipp vom Fachanwalt:
Wenn Sie unverschuldet oder nur teilweise verschuldet in einen Unfall verwickelt wurden, zahlen Sie nicht vorschnell! Lassen Sie die Sachlage anwaltlich prüfen, bevor Sie eine Schulderklärung abgeben oder sich mit der Versicherung einigen.